Bayerischen Ingenieurekammer-Bau:
Werberecht bringt Standortnachteile
(20.11.2000) Auch im Internet-Zeitalter bleibt das Aushängeschild des Beratenden
Ingenieurs sein Werk. Entgegen der landläufig geäußerten Meinung ist die
Marketingfreiheit für freiberufliche Ingenieurbüros im Internet nicht grenzenlos. Das
Online-Marketing von deutschen Freiberuflern bleibt Regeln unterworfen. Wurde die Frage
der zulässigen Werbung Beratender Ingenieure bislang maßgeblich von Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts, insbesondere zum Standesrecht der Architekten, beeinflußt, so
bedarf diese Praxis vor dem Hintergrund des E-Commerce und einer drohenden europäischen
Wettbewerbsverzerrung der Überprüfung.
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht in bezug auf die Werbung von Architekten in
seinen Beschlüssen vom 19.12.1996 entschieden, daß Werbeverbote für Architekten gegen
Artikel 12, Absatz 1 GG verstoßen und verfassungswidrig sind, wenn sie bestimmte
Werbeträger ohne Rücksicht auf den Inhalt der Werbung von vornherein als unzulässig
ausschließen. Allerdings wurde jede gestreute Massenwerbung, die sich nach Art einer
Postwurfsendung ungezielt an einen möglichen Auftraggeberkreis wendet als unzulässig
abgelehnt.
Auf EU-Ebene wurde dieses Problem erkannt. In einem Richtlinienvorschlag zum Electronic
Commerce ist vorgesehen, daß künftig nicht mehr der Marktort, sondern das Herkunftsland
über die Zulässigkeit der Werbung entscheiden soll. Innerhalb der EU wäre dann jeder
Online-Anbieter nur den in seinem Hoheitsstaat geltenden Gesetzen unterworfen. Weitere
Einschränkungen seiner Werbung wären - außer beim Direktmarketing per E-Mail - nicht
zulässig.
Klar erscheint jedenfalls, daß sich das strenge deutsche Werbe- und Standesrecht in
diesem Fall als Standortnachteil auswirken dürfte. Solange bei Wettbewerbshandlungen im
Internet wie bisher das strenge Marktortprinzip gilt, besteht die Gefahr, daß
freiberufliche Unternehmen aus Deutschland abwandern. Zumindest werden sie versuchen, vom
Ausland aus zu agieren, um die Ahndung entsprechender Verstöße zu erschweren.
Offen ist allerdings, ob dieser Richtlinienvorschlag jemals Gesetz wird. In Deutschland
würde er nur dann etwas nützen, wenn gleichzeitig das deutsche Werberecht gelockert
würde. Anderenfalls wäre der Standort Deutschland doppelt benachteiligt. Deutsche
Unternehmen müßten nicht nur im Inland, sondern auch bei ihrer Tätigkeit im Ausland das
strenge deutsche Wettbewerbsrecht beachten.
Standortpolitisch machen nationale Werbebeschränkungen im Zeitalter des World Wide Web
kaum noch Sinn. Eine Lösung kann nur in internationalen Regelungen liegen, die möglichst
große Wirtschaftskreise umfassen. Dessen ungeachtet, müssen nach Ansicht der Bayerischen
Ingenieurekammer-Bau Angehörige des Freien Berufes auch künftig durch die von ihnen
erbrachten Leistungen überzeugen. Marktschreierische und anpreisende Werbung, die der
Vergewerblichung den Weg ebnet, wird daher abgelehnt.
Ergänzung: Das BauNetz hat die verschiedenen Regelungen zum
"Werbeverbot" zusammengetragen und in einer Übersicht zusammengestellt.
Berücksichtigt wurden dabei ausschließlich Materialien, die von den Architektenkammern
zur Veröffentlichung in diesem Zusammenhang übersandt wurden - siehe:
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